SBW Auswärtsfahrt nach Worms
Mo, 29. Februar 2016
Spieltag, Saison 15/16 Regionalliga Südwest
VfR Wormatia Worms – 1.Fußball-Club Saarbrücken 2:1 (2:0)
Frohes Neues blau-schwarzes (Fußball-)jahr, liebe Molschder Freunde! „Es ist soweit, wir sind bereit, neunzig Minuten eine heilige Zeit. Saarbrücken gewinnt und zwar nicht zu knapp; blau-schwarzes Blut und jetzt geht’s ab“ schallt der Klassiker etwas verrauscht und mit einigen Rucklern aus den Lautsprechern des BierWölfe – Neuners, der sich an diesem 29. Februar, dem Zusatztag des diesjährigen Schaltjahres zum Regionalliga-Topspiel gen Pfälzer Hinterland aufmacht. Wie einst Cäsar das Kalenderjahr im Vierjahresrhythmus verlängern ließ, so schenkten uns der Verband und sein Freund der zahlkräftige Privatsender Sport1, vielen noch unter seinem alten Namen DSF bekannt, völlig selbstlos heute auch einen zusätzlichen Bonus(spiel)tag an diesem ersten „richtigen“ Spieltags-Wochenende dieses Jahres, sodass das Spiel unseres geliebten FC an einem Montagabend nicht nur vor den Augen der kälteresistenten, gerne auch als „Hardcore-Fans“ betitelten Freunden des Fußballsports, darunter rund ein Dutzend BierWölfe, die sich im Drachengehege der Wormatia eingefunden hatten, stattfinden sollte, sondern auch von hunderttausenden, wenn nicht gar Millionen, TV-Zuschauern dank der parallelen Live-Übertragung in Farbe beäugt wurde. Die besonderen Tage im Jahr gehören schließlich auch den besonderen Vereinen und es gilt ja sowieso: Das Beste kommt immer zum Schluss. Dass das Spiel unserer Jungs später in etwa genauso flüssig vom Band laufen würde wie der Leergut- Dauerbrenner vom Abspielgerät unseres Fahrzeugs, hätten sich wohl selbst die schärfsten Kritiker kaum gewagt zu prophezeien- doch wirklich überrascht hat es uns dann alle doch nicht allzu sehr…
Aber spulen wir erst einmal wieder zurück, schließlich soll dies hier ja ein dokumentarischer Beitrag für die Fanklubchronik werden und daher bedarf es hier doch wenigstens der nötigen Linearität, wenn doch unsere Mannschaft diese schon in der eigens angezettelten Aufholjagd vermissen lässt.
Nach keinem anderem Tag in diesem noch jungem Jahr haben wir bisher so sehr gelechzt wie nach diesem letzten Februartag, der mit Kauf des neuen Terminkalenders zum Ende der abgelaufenen Hinrunde sogleich blau-schwarz umrandet wurde, und den wir gefühlt genauso fixiert haben, wie die Maya einst die letzte Jahrtausendwende. Und auch unsere Tante Maja wird es freuen, dass es endlich, endlich, endlich und, Himmel, Arsch und Zwirn, verdammt noch mal ENDLICH weitergeht mit der bereits angebrochenen Rückserie dieser Saison. Keine Party dieser Welt, kein Europapokal-Spiel dieses Kontinents und kein Pils unseres Marktes kann einen Spieltag, UNSEREN Spieltag ersetzen, zumindest schmeckt Letzteres beileibe nicht so gut, wie an einem Spieltag. Ein Spieltag, ist ein Spieltag, bleibt ein Spieltag. Und nun war eben noch Montag. Gut, dann ist Montag eben „Spieltag“. Für die mitgefahrenen Nibelungenritter bedurfte es sowieso keinerlei rationaler Erklärung, warum wir uns montags Abends bei Temperaturen kaum über dem Gefrierpunkt in die Lutherstadt aufmachten. Derweil glaube ich ohnehin nicht, dass man diesen Tag rückwirkend logisch erklären kann. Anspruch und Realität passten wenig zusammen, ebenso wenig, wie die beschämende pfälzische Stadionwurst und Light-Bier zu einem Topspiel passen.
Da unser Präsident uns erst für den frühen Feierabend an die Saarlandhalle zur Abfahrt bestellte, war es zumindest dem Schüler- und Studentenpack unseres Rudels, dem ich mich hinzurechne, vergönnt, den Spieltag in gewohnter Manier, wenn auch zeitlich ungewohnt erst am Nachmittag, einzuleiten. Dem Werktag und den finanziellen Engpässen am Monatsende geschuldet, beschlossen wir im Vorfeld die erprobten und auch während der spielfreien Zeit nicht gänzlich vernachlässigten Rituale für den heutigen Tag nicht ganz so ausufernd zu zelebrieren, wie wir es eigentlich gewohnt sind. So brachen wir etwa eine Stunde vor der planmäßigen Abfahrtszeit zu unserem „Fußmarsch mit ausgewählten Zwischenhalten“ immer Richtung Saarlandhalle auf. Dass der „gute“ Vorsatz, die Spieltagspraktiken einzuschränken und das Ehepaar Maria-Sinalco zu Hause zu lassen, eigentlich ziemlich naiv und folglich gar nicht so „gut“ sein würde, erkannten wir glücklicherweise gerade noch rechtzeitig, sodass wir unseren anfänglichen Denkfehler, der sicherlich dem ungewohnten Wochentag und der langen Winterpause zuzuschreiben ist, eigenhändig wieder wett machen konnten und als ersten Zwischenstopp das Spirituosenregal eines gut sortierten Lebensmittelfachmarktes ansteuerten, bevor wir uns noch schnell mit der Rückrunden – Dauerkarte im vertrauten Fanshop ausstatteten. Mit diesen beiden unerlässlichen Accessoires im Gepäck fühlten wir uns schon gleich viel wohler; die zuletzt etwas aus dem Gleichgewicht geratene „Spietags-live-balance“ schien sich wieder einzupendeln und dem blau-schwarzen Ideenreichtum waren wieder alle Türen geöffnet. Da Lernfähigkeit, wie gezeigt, zu unseren ausgewiesenen Stärken zählt, wollten wir nächtliche Reinigungsaktionen an, in und auf unserem heutigen Kastenwagen vorbeugen, die es nach Auswärtsfahrten der jüngeren Vergangenheit gerüchteweise gegeben haben soll, sodass wir uns kurzerhand dazu entschlossen uns einen auslaufsicheren „Spieltags-Spezial-Trinkbecher“ zuzulegen, mit dem wir sicherlich nicht nur unseren Präsis beeindrucken würden. Und so enterten wir den Saarbrücker Einzelhandel und wurden schnell fündig: Da stand es verkaufsfertig im Regal: ein umfunktioniertes Einmachglas mit Strohhalmloch und Henkel. Eine kurze Begutachtung und ein beiderseitiges Nicken von einem breiten Grinsen begleitet bekräftigten den Kaufentschluss. Also ab an die Kasse! Schon völlig euphorisiert dieses Prachtstück von Miniaturbierkrug gleich einweihen zu dürfen, bemerkten wir zunächst gar nicht, wie die Verkäuferin begann, unseren Fund sorgsam in Papier einzuwickeln. Als wir sie beide gleichzeitig um unverzügliches Unterlassen baten, verstummte sie ebenso verdutzt wie einige Stunden später Daniel Döringer beim Vorstoßen des Wormser Angreifers beim Gegentreffer. Überglücklich, stolz, motiviert bis in die Haarspitzen und laut singend, ohne es zu bemerken wohlgemerkt, schlenderten wir energiegeladen weiter die Bahnhofstraße hinauf, wo einer unserer Mitfahrer uns bereits mit seinem PKW erwartete und wir sodann die letzten Höhenmeter zur Saarlandhalle mit dem Auto zurücklegten. Am Treffpunkt angekommen ernteten wir neben der erwartungsgemäßen Schelte für die Verspätung aber auch eine herzliche blau-schwarze Begrüßung und einen Reigen der Freude, denn die Tatsache, das Rudel wieder vereint zu sehen war mindestens genauso groß wie die Vorfreude auf den Anpfiff und das damit einhergehende endgültige Ende dieser elenden Zeit des Wartens in den zurückliegenden drei Monaten. Es schien alles wie immer, alle waren gut gelaunt und Rudelführer Matze schmiss unverzüglich die erste CD in den Player, womit wir nun auch wieder auf „Play“ drücken können, hier, und auch was die Geschichte dieser Saison betrifft.
Irgendwie können und wollen wir uns nicht wirklich daran gewöhnen, dass die Fahrten zumeist eher kürzer ausfallen als noch vor nicht allzu langer Zeit. Ziele wie Rostock oder Burghausen, für deren rechtzeitiges Erreichen zum Anstoß man die Raststättenbesuche vor Fahrtantritt noch rege planen und abstimmen musste, gehören momentan leider der Vergangenheit an, sodass derartige Zwischenstopps ihre Funktion leicht modifiziert haben und nicht mehr nur der Verrichtung etwaiger Notdurften dienen, sondern ganz simpel, ein Mittel des Zeitschindens geworden sind. Wir beginnen den Spieltag ja schließlich nicht später, nur weil wir jetzt nicht mehr so weit fahren müssen, so weit kommt es noch! Dann halten wir eben schon in Homburg das erste Mal. War sowieso längst Zeit, unseren gläsernen Einkauf der restlichen Meute zu präsentieren, die ihrerseits auch aus dem Staunen nicht mehr rauskam. Nach anfänglichen Nutzungsschwierigkeiten und der Verwunderung über das unaufhörliche Aufsteigen von Maria-Sinalco aus den Strohhalmen unserer Gläser, das fontänenartig den ostsaarländischen Rasthof wässerte, konnten wir dank Philipps weisen Ratschlag, den Verschluss vielleicht nicht ganz bis zum Anschlag zuzudrehen, unsere Feierabendreise erfolgsversprechend fortsetzten. Einige wenige kräftige Züge aus dem Trinkhalm später erreichten wir auch schon die rheinische Drachenhöhle, an dessen Eingang uns unverzüglich die zahlenmäßig stark vertretenen örtlichen Staatsbeamten in Grün empfingen und uns zum Gästeeingang manövrierten.
Spätestens jetzt kamen die Erinnerungen an die bisherigen Gastauftritte in Worms wieder hoch, die zuletzt nie wirklich gut für uns geendet sind. Hatten wir durch kraftvolle Äußerungen zur Akte „Aufstiegskampf“ unserer medienerfahrenen sportlichen Leitung fast vergessen, dass „Wormatia“ nicht „Werder“ und die EWR-Arena nicht die DKB-Arena ist, wurden wir noch vor dem Einlauf der Mannschaften zurück in die Realität geholt. Statt Kassenhäuschen, die IT-Leistungszentren gleichen, erwartete uns wieder der gute alte Campingtisch und die Geldkassette am Blockeingang, an den sich, einmal am freundlichen Kartenverkäufer vorbei, der schon bekannte, schier endlose, umzäunte Spaziergang in den Gästebereich anschloss.
Dann endlich wieder Stadionboden unter den Füßen; und alle waren sie wieder da, die bekannten Gesichter. Abklatschen hier, kurzer Smalltalk dort und trotz Nässe und Kälte war die pure Geilheit aufs Spiel in jeder Körperzelle spürbar.
Anschließend dann endlich der kurze Gang in den Block selbst, noch drei Stufen, noch zwei, noch eine und dann der Blick aufs Spielfeld, getränkt vom perlweißen Flutlicht, das uns bereits von der Autobahn aus den Weg zum Stadion wies. Anders als zuletzt standen wir diesmal nicht auf der Gegengeraden, sondern unmittelbar in der Kurve hinter dem Tor; der Blickwinkel aufs Terrain glicht unterdessen dem des heimischen, und in doppelter Hinsicht so weit entfernten, Ludwigsparks.
Dann folgte der wirklich enttäuschende Teil des Abends, wobei die eigentliche Desillusionierung weder vom alkoholreduzierten Pils noch von der fetttriefenden Rostwurst ausging, sondern von der eigenen Mannschaft verursacht wurde. Und deshalb sitzt die enttäuschte Hoffnung tief, die wohl nur mit Galgenhumor und einer gesunden Priese Zynismus zu ertragen ist, der aber in diesen Minuten sehr schwer fällt, denn was sich da auf dem Rasen zusammenbraute traf uns alle mitten ins blau-schwarze Herz.
Das gesehene Spiel hier näher analytisch zu diskutieren erscheint wenig sinnvoll. Aber an der Regionalligatauglichkeit dieser Mannschaft ist spätestens seit diesem Abend zu zweifeln. Dies zu sagen tut weh. Sehr weh. Und diese Aussage soll sich nicht in erster Linie auf die sportliche Leistung an diesem Abend beziehen, die, so muss man es ja sagen, nicht ausreichend war, um eine Mannschaft, die gegen den Abstieg aus der Regionalliga spielt, zu schlagen, sondern sich vielmehr bezogen auf das Auftreten der Mannschaft und der Vereinsführung verstanden wissen, welche sich fernab jeder Viertligarealität präsentieren, sei es der Kampfgeist, sei eine gesunde Selbsteinschätzung, sei es der Respekt vor der Liga, seinen Gegnern und seinen Umständen. Alles vermisst man sehnlichst. Wichtig ist halt auf dem Platz, um eine altbekannte, aber ewigaktuelle Phrase anzuführen.
Die Stimmung im Block selbst ist erstaunlich gut; der Support kann sich durchaus sehen lassen. Kurz nach dem Wiederanpfiff zur zweiten Halbzeit gibt es eine kleine Pyro-Einlage hinter einem Banner mit der Aufschrift „Saarland assozial“. Wenn uns unsere Jungs auf dem Rasen schon hängen lassen, dann sollten wir uns selbst nicht auch noch gehen lassen. Mit fortgeschrittener Spieldauer entwickelt sich der Support für unsere Spieler zunehmend spürbarer zum puren Support für den Verein, für den FCS und damit zur Feier für uns selbst.
Unsere Mannschaft verliert verdient mit 2:1, weil sie in der Abwehr patzt, weil sie im Angriff nicht die nötige Konsequenz beweist, weil sie nicht bereit ist, in sich eine Mannschaft zu sehen, die in derselben Liga spielt wie Wormatia Worms.
Die Rückfahrt nach Spielende verläuft ereignislos. Eigenhändige Versuche einen Kanon anzustimmen scheitern. Der fast schon obligatorische Halt am Rasthof Rammstein bleibt heute trostlos. Und irgendwie waren wir doch schon drauf eingestellt. Auf das alles. Auf eine Restrückrunde, die wohl sportlich wenig Reiz versprechen würde. Eine leise Hoffnung bleibt. Warum? Weil wir diesen Verein über alles lieben. Gelacht wird dann trotzdem noch hier und da, ein bisschen ist das natürlich auch Frau Maria Sinalco zu verdanken, aber auch, weil wir wissen, dass wir immer weiter machen werden, auch wenn wir als letzte Mohikaner unter Geiern nach dem Rechten sehen werden. Spätestens am nächsten Samstag. Dann ist nämlich wieder Spieltag. Und keiner von uns wird alleine in Völklingen stehen.
Wir verabschieden uns und Mike und ich laufen die Route, die wir gekommen sind, wieder zurück, Zwischenhalte inklusive. Es ist halt Spieltag. Und ein Spieltag, ist ein Spieltag, bleibt ein Spieltag. Fast schon wieder in der Spieltagsresidenz angekommen, läuft uns noch ein treuer Gefährte der blau-schwarzen Familie, leicht beschwipst, über den Weg. Es ist inzwischen dann doch wieder halb drei nachts geworden. Ein Glück, dass wir noch genau drei Klopfer im Rucksack finden. Prost! Samstag ist wieder Spieltag. Na Gott sei Dank!
Bilder vom Spiel findet ihr hier: Bildergalerie Worms
Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=GGNQhuP4FUI
… und natürlich gab es in Worms auch unseren Wurschdtest: Wurschdtest Worms